JUGEND EM  2005

Antwerpen / Belgien

 

6. April 2005

 

 

Trio Bewerb 2. Tag :

 

Nach dem wir vom Vortag noch einen gewissen Rückstand aufzuholen hatten, war allen klar, dass wir diesen Squad gewinnen müssen, wollen wir noch eine Medaillenchance haben. Und weil insgesamt 6 Teams aus dem 2. Squad vor uns lagen, war es auch nötig, ein ansprechendes Score zu werfen, um den danach Startenden etwas vor zu legen. Immerhin fehlten 89 Pins auf einen Medaillenrang, wobei TT und ich auf Grund der schwierigen Bahnenverhältnissen einigen Teams eine Wiederholung der Leistung von gestern nicht zu trauten.

 

Aber auch uns traute diese Leistung nach dem ersten Spiel kaum mehr jemand zu. Nur auf Grund der 246 von Christoph konnten wir noch 575 über die Runden retten, was aber unseren Rückstand erhöhte – dachten wir. Aber auch die anderen Teams zogen die Handbremse und so konnten wir mit unserem Score sogar noch Boden gut machen. Dennoch brauchten wir jetzt zwei wirklich hohe Ergebnisse, denn sonst wird es nichts mit dem Vorlegen.

Bemerkenswert ist aber neben den 246 von Chris wohl auch die Moral und unglaubliche Willensstärke von Leo. Mit 145 startete er mit seinem schlechtesten Score überhaupt, ließ sich aber keinen Moment hängen und kämpfte mit aller Macht gegen seine Krise an. Das wurde letztendlich mit 184 und 202 noch belohnt. So konnte unser Trio mit 654 und 631 doch noch die notwendigen hohen Partien spielen. Etwas, das den anderen Teams an diesem Tag nicht gelang. Am Ende waren wir das einzige Trio, das über die 200er Marke kam und somit gelang es uns zunächst das Primärziel zu erreichen : wir übernahmen die Führung mit 27 über. Kein beruhigender Vorsprung, aber doch schon etwas auf diesen Bahnen.

Außer den Finnen, die durch ihre zahlreichen Strikes am Vortag einen Vorsprung von 87 Pins auf uns hatten, mussten alle anderen schon über 1800 werfen - und das unter Druck auf diesen Verhältnissen. Da hatten wir nicht mehr viele Teams auf der Rechnung, die das könnten.

Die Finnen machten dort weiter, wo sie gestern aufgehört hatten. Strikes ohne Ende, aber keine Spares. Nach dem ersten Spiel (548) sah es daher so aus, als würden die Sparefehler ihnen noch zum Verhängnis werden, allzumal die Engländer einen Scharfschützen in ihren Reihen hatten. David Kendall eröffnete mit 259 und legte im 2. Spiel noch 247 dazu. Nach den ersten beiden Spielen war jetzt alles möglich :

England hatte einen Vorsprung von 74 Pins und Finnland von 73 auf unser Trio, der Rest war aus dem Rennen, den niemand traute Italien im letzten Spiel 700 zu. Für die Engländer war Gold zum Greifen nahe ebenso wie für die Finnen, doch eine 550er und der Traum ist ausgeträumt. Dazu kam, dass jedes Team ein Handicap hatte. Die Finnen ihre Spareschwäche und die Engländer ihren Schlussspieler, der bislang nie ins Spiel gefunden hatte.

Das Finale verlief spannende wie in einem Hitchcock Krimi. Ich wieselte zwischen Bahn1 (Finnland) und Bahn 7 (England) hin und her. Nebenbei immer ein kurzer Blick auf Italien, ob nicht doch ein Bowlingwunder passiert. Lange Zeit war nichts entschieden, außer ab Frame 3, dass Italien  raus war und wir Bronze sicher hatten. Nachdem ab dem 7. Frame dann die Finnen wieder zu striken begannen und ersichtlich wurde, dass sie an die 600 werfen würden, war Gold vergeben, denn England zeigte Nerven. Der bislang überragend spielende Kendall verlor seine Linie und beendete sein Spiel mit 167. Diesmal konnte dafür der Startspieler, David Jones, 239 beitragen, um England noch im Rennen zu halten. Was jetzt folgte, könnte einem kitschigen Pilcher Film entstammen und doch ist es eine Geschichte, wie sie das (Bowling) leben schreibt :

 

Ausgerechnet der Schlussspieler, Jo Preddy, musste jetzt die gesamte Last der Verantwortung auf sich nehmen. Ein Spare und ein Strike mussten her um 553 und somit gleichviel wie Österreich zu werfen. Er, der im ganzen Verlauf des Triobewerbes kaum Strikes hatte und auch beim Sparen nicht viele Erfolge verzeichnen konnte, spielte für England um Silber oder Bronze. Nachdem die erste Hürde genommen und der Spare gebracht wurde, musste jetzt der Strike her. Sein Coach, Keith Bringloe drückte ihm den Spareball mit den Worten „just throw it in the middle – try to hit the 1“ (das war beim normalen Strikeanwurf sein größtes Problem) in die Hand und dann hielt er sich die Hand vor die Augen. Der Trick ging auf, der Strike war da und danach tobte die Halle. Im allerletzten Wurf wurden die Medaillen vergeben. England schrie sich die Seele aus dem Leib, dem armen Jo war noch gar nicht wirklich bewusst, was er da soeben vollbracht hatte und auch unsere Burschen lagen sich in den Armen. Die heiß ersehnte Medaille war da – und das in Silber, wo TT und ich uns eigentlich schon mit Bronze abgefunden hatten.

 

Rückblickend betrachtet, zeigt dieser Bewerb eindeutig, worauf es neben einem guten spielerischen Können noch ankommt. Auf Kämpferqualitäten, Teamgeist und natürlich auch auf ein Quäntchen Glück. Sowohl England als auch Österreich hatten einen Topscorer (Kendall 1365 und Oralek 1303) einen soliden Spieler (Jones 1269 und Loos 1284) und einen, der mit allen Widrigkeiten unseres Sportes zu kämpfen hatte. In beiden Fällen waren es noch dazu die Schlussspieler. Auch wenn es die Scores nicht zeigen, so waren es letztendlich Jo Preddy und Leo Grundschober, die mit ihren lebenswichtigen Spares über Silber und Bronze entschieden. Hätte einer von den beiden den Kopf in den Sand gesteckt, es wäre für jede Mannschaft entscheidend gewesen. So ist in jeder Hinsicht der geteilte zweite Platz eine salomonische Entscheidung. Das Schicksal führte Regie – eben wie bei Rosamunde Pilcher. Manchmal wirklich schön.

 

Den Finnen sei zur Goldmedaille gratuliert, aber auch hier der Beisatz – wie auch deren Teammanagerin Seija Laankinen feststellte – dass da mehr drinnen wäre, wenn man seine Spares trifft. Es war ein sportlich schöner Bewerb, der für uns gut ausging, er zeigte aber einmal mehr, wo es bei Europas Jugend mangelt.

 

Meine persönliche Meinung :

 

Wer mich kennt, weiß wie ich empfinde, wenn „meine Buben“ Erfolge feiern. Wieder einmal stand ich mit feuchten Augen hinten und freute mich maßlos. Ich freute mich über die Medaille, über das wirklich gute Spiel von Michi (wenn er nur daheim auch so bowling spielen würde), über das hohe Score und die Sparesicherheit von Chris und ganz besonders über Leo, der nie aufgab und – so scheint es jetzt mal – den Weg aus der Krise gefunden hatte. So freue ich mich natürlich auch über die Chance, die wir dadurch auch bei der 5er Mannschaft wieder haben. Da wird es ganz heiß hergehen und wir benötigen wirklich jeden Mann in seiner besten Verfassung.

Damit kommen wir zu einem Wermutstropfen, der diese Idylle leider etwas stört. Ich habe in den ganzen Jahren meiner Tätigkeit als Jugendleiter und Teammanager immer wieder die Menschlichkeit in den Vordergrund gestellt. Ich habe stets gepredigt, dass ein besserer Bowlingspieler kein besserer Mensch ist. Auch der beste Bowlingspieler ist außerhalb der Halle ein Nobody, der in erster Linie seinem Freundeskreis bekannt ist und von diesem als Mensch geschätzt wird. Wir sind keine Eberharters und Maiers, die im Rampenlicht stehen und von anderen als etwas Besseres hingestellt werden. Dennoch versuchen einige immer wieder sich über andere zu stellen. Ein Charakterzug, den ich nicht schätze und der mich traurig stimmt, wenn es gerade bei einem meiner Schützlinge vorkommt.

So kann ich bei allem Verständnis über den Frust über die vergebene Goldchance nicht verstehen, warum man auf jemanden, der am Boden liegt noch draufsteigen muss. Ich weiß schon, dass uns Dr. Pollany immer wieder sagt : „Wahre Worte sind nicht schön, schöne Worte sind nicht wahr“ , aber damit meint er, gerade als Psychologe nicht, dass man stets alles sagen muss, was man denkt. Es gibt auch ein anderes Sprichwort, das da lautet „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Demnach haben wir auch nicht mehr als Silber verdient, wenn wir in einer Stunde des Triumphes und der Freude nicht die Klappe halten können.

 

Wenn auch der nüchterne Blick auf die Tabelle zeigt, dass Leo nicht sein Potential ausgespielt hat, so muss man aber auch bedenken, dass auch hervorragende Spieler (und das ist Leo, er hat es erst vor kurzen daheim bewiesen) keine Maschinen sind. Unser größtes Problem im Bowling ist immer der Kopf. Wenn es da mal ein Problem gibt, dann nutzt alles Können nichts. Und in solchen Phasen, die jeder Bowlingspieler schon mal erlebt hat, zeigt sich dann die wahre Größe eines Sportlers. Gibt er auf, verfällt er in Selbstmitleid und lässt er damit seine Kameraden im Stich, oder kämpft er gegen diese Krise an. Versucht er alles, um das zu diesem Zeitpunkt Mögliche aus sich herauszuholen oder ist „eh schon alles wurscht“.

Aber auch die anderen Spieler sind in einem solchen Moment gefordert. Können sie mit der Krise ihres Freundes umgehen ? Ist er überhaupt noch ein Freund, wenn er seine Leistung nicht mehr bringt ? Helfen wir jetzt alle zusammen, damit ad 1 noch das Bestmögliche erreicht werden kann (siehe Zielsetzungsmodell Pollany) und ad 2 dem Sportkollegen seine Situation erleichtert wird. Wenn man sein Potential nicht abrufen kann, ist es für den Spieler schon schwer genug, wenn er dann sieht, dass seine Leistung über Sieg und Niederlage entscheidet, dann wird die Last fast nicht mehr erträglich. Natürlich muss jeder tagtäglich mit Krisen umgehen und dort seine Probleme alleine lösen. Aber wenn man als Team unterwegs ist, dann sollte man auch davon profitieren dürfen.

 

Eine große Tugend und ganz wichtig für zukünftige Erfolge ist Teamgeist. Ich hoffe, das haben unsere Burschen jetzt erkannt und wir starten im 5er Bewerb nochmals voll durch.

 

Wolfgang