Bericht zum San Marino Open 2008
(Untertitel: Manchmal ist Bowling „so leicht“)
Gestärkt durch meine 2 Turniersiege beim Slovakia und Czech Open jeweils an den Wochenenden zuvor, machte ich mich mit meinen Freunden Thomas Tybl (er war diesmal nicht als Spieler sondern als mein Coach mit) und Achim Grabowski auf den Weg nach San Marino zum diesjährigen 10. Stopp der ETBF-Tour. Da dieses Turnier gleichzeitig mit der Junioren-WM in Orlando ausgetragen wird, fehlen ein paar prominente Namen (u. a. Dominic Barrett und Mads Sandbakken), trotzdem war das Teilnehmerfeld ein klingendes. Gesponsert von „Storm“, war neben dem Europachef Peter Somhoff auch die Besitzer von Storm, Barbara und Bill Chrisman und in ihrem Schlepptau der allseits bekannte und wahrscheinlich talentierteste Bowlingspieler auf diesem Planeten – Pete Weber – in San Marino – welch ein Erlebnis diesen Mann live spielen zu sehen – aber dazu später noch mehr J
Der Modus:
Wie immer 6er Serien auf re-entry Basis, aus den early birds (den Squads am Anfang der Woche) qualifizieren sich 7 Spieler, 38 Spieler aus den späteren Squads und 3 aus dem Desperado – insgesamt somit 48 Finalisten.
Erste Finalrunde: 36 Spieler (Plätze 13 – 48) – 18 kommen weiter
Zweite Finalrunde: 24 Spieler (18 aus der ersten Runde und Plätze 7 -12 nach der Quali) – 10 kommen weiter
Ab diesem Zeitpunkt wird dann Matchplay (1-16, 2-15, etc.) gespielt – also der 1. der Quali spielt dann gegen den 10. der zweiten Finalrunde etc.
Die Ölung waren seitens Kegel mit 39 Fuß und einem Ratio von rund 1:3 angegeben – da wir die Halle von früher als etwas backendschwach kennen, dachten wir bei dieser Ölung schon von Haus aus an etwas höhere Resultate – aber man weiß ja nie – ein Ölmuster am Papier und was dann auf den Bahnen wirklich liegt, ist manchmal doch unterschiedlich. An unserem Anreisetag haben Pete Weber (1575), Jens Nickel (1553) und Osku Palermaa (1532) gleich einmal gezeigt, was möglich ist. Wir haben in der Nacht noch kurz mit Jens gesprochen, sein Kommentar war: Ich habe mich kaum verstellen müssen und hatte jede Menge „hold“ nach innen – was nichts anderes bedeutet dass wenn Bälle nach innen verlegt werden sie in die Gasse „rutschen“ (wobei wir hier von minimalem nach innen verfehlen - max. 2 boards oder so - sprechen)
Ich bin dann am Freitag um 13 h erstmals angetreten und habe nach 404 auf die ersten beiden (221 und 183) eigentlich den Squad schon abgeschrieben und wollte nur noch eine lockere Bewegung und den richtigen Ball finden – wie aus dem nichts gelang mir dann im 3. Spiel eine vom Pinfall her sehr glückliche 259 und ich war wieder im Rennen. Und wie es dann so ist, wenn man einen Lauf hat, habe ich dann angefangen richtig gutes und befreites Bowling zu spielen und schloss meine Serie mit 234, 267 und 228 und insgesamt 1392 ab – dies sollte nach Abschluss des Grunddurchganges für den 11. Platz und 1 bye (siehe Modus) gut sein. Achim kämpfte derzeit mit sich, der Bewegung und dem Material, schaffte trotzdem im letzten Squad noch die Qualifikation mit 1355 und musste dementsprechend am Sonntag um 9.30 wieder auf die Bahn. Der Cut war schlussendlich bei 1326 – eine mittlerweile durchaus übliche, fast sogar humane Zahl auf der Tour – auch zurückzuführen auf die durchaus geringe Teilnehmerzahl bei dem Turnier (es war am Samstag nur ein (!!) Squad voll – die Tour zeigt offensichtlich erste Ermüdungserscheinungen). Ich habe am Samstag 2 neue Bälle gebohrt (Storm Dimension und Cell hybrid), habe aber meinen ursprünglichen Plan am Samstag noch einmal anzutreten aufgegeben und mich auf den Sonntag konzentriert.
Achim ist leider nach gutem Beginn in der ersten Finalrunde ausgeschieden – mehr kann man dazu gar nicht sagen – der Cut für den 18. war 833, er hatte 816 und wurde 20. – dieses Turnier spiegelt seine derzeitige Verfassung wieder – er spielt für seine Verhältnisse sehr verhalten und ohne Selbstvertrauen und scheidet in Phasen aus, die er normalerweise locker schafft – aber auch das ist Bowling – kennen wir ja alle aus eigener Erfahrung.
Ich bin in der 2. Finalrunde eingestiegen und habe vollkommen unspektakuläre 874 gespielt (223 224 205 222) – dies hat aber relativ locker zum Einzug in die Top 16 gereicht (Cut hierfür war 846 – Vittorio Vaglia). Entsprechend der Setzliste durfte ich mich als 6. der 2. Finalrunde mit dem 5. aus der Quali (Frederik Ohrgaard) messen – 2 Spiele, total Pinfall. Frederik ist ein dänischer Nachwuchsspieler – ein sehr netter und sympathischer Zeitgenosse (trifft übrigens auf die meisten Spieler zu) und er wurde pikanterweise von Thomas in der Vorrunde zu einem wirklich klasse Ergebnis (1443) gecoacht. Ich hatte heuer in Luxemburg schon einmal das Vergnügen und da hat er knapp aber verdient gewonnen. Ivo, die ich über SMS natürlich immer am laufenden gehalten habe, hat nur gemeint: Da hast ja noch eine Rechnung offen.
Das Spiel startete ich mit 4 Strikes, er mit Strike/Spare/Strike/Spare – dann startete er mit einer Strikeserie, ich hatte zwischendurch einen Split, dann stellt er sich am 9. Frame auch einen Split und ich antworte mit 2 Strikes – am Ende des ersten Spieles waren wir eigentlich wieder am Anfang (ich 221, er 219). Im 2. Spiel startete ich mit 4 Spares, er mit 3 Strikes, dann einen Split und wieder 3 Strikes – ich konnte 6/7/8 Frame 3 mal Striken und musste trotzdem auf einen Fehler seinerseits hoffen – wie gesagt, wenn du einen Lauf hast, machen dir die Gegner sogar solche Gefallen – er stellt sich am 8. Frame einen Split (4/7/6) auf und trifft keinen (!!) zusätzlichen Pin mehr – als Draufgabe noch am 9. Frame 9- - danke, das Spiel war gewonnen. Erste Revanche geglückt, wobei er hier seiner Unerfahrenheit Tribut zollen musste – die Reaktion in den Pins war bei ihm besser, aber was soll´s – er wird jedenfalls noch öfter vorne sein, davon kann man ausgehen. Was zu bemerken war – die Bahnen waren nicht mehr so einfach wie in der Vorrunde – unsere Vermutung – sie haben die Ölmenge in der Mitte der Bahn deutlich reduziert – du konntest keine 3 Bälle mehr auf der selben Linie spielen – die Veränderungen waren wirklich enorm. Neben mir hat Pete Weber in der Zwischenzeit einen wirklich aufopfernd kämpfenden Vittorio (448) mit 254 und 278 auseinander genommen – ein Profi eben, der Herr Weber.
Somit war ich unter den letzten 8 und durfte nun gegen Jason Belmonte ran – World Amateur Bowler 2007, ein echtes Kaliber – meine Info-SMS an Ivo wurde wie folgt beantwortet: Da gibt’s doch noch eine Rechnung aus der Türkei, oder? Richtig, 2006 hat er mich im Semifinale knapp geschlagen.
Wieder wurden die Bahnen gemacht (kein Mensch weiß warum, das Turnier wurde künstlich in die Länge gezogen) und dann durften wir endlich nach knapp einer Stunde Wartezeit anfangen. Wie gegen Frederik startete ich auch gegen Jason stark, hatte mittendrin Anpassungsprobleme und strikte vom 8. Frame weg aus – 236, Jason konnte 211 dagegen setzen. Das 2. Spiel war dann kurios – mittlerweile verabschiedete sich die rechte Bahn zusehends (ich war daran nicht ganz unschuldig, habe mit dem neuen matten Storm Dimension gespielt und das verbleibende Öl im Midlanebereich unaufhörlich weggespielt) – der Effekt waren 2 für mich total unterschiedlich zu spielende Bahnen, ein sichtlich nicht glücklicher Jason und daraus resultierend eine Menge an Splits bei ihm (53 am 5. Frame) – ich dachte gar nicht daran den Ball zu wechseln, obwohl es natürlich auch für mich kein sinnvolles Resultat gab – aber ich hatte räumbare Stellungen und dies tat ich auch – einfach einen Spare nach dem anderen spielen – er musste ja aufholen. Dann hatte er endlich 2 Strikes (er hat dann von tief und „weich“ auf weiter von außen und monsterschnell umgestellt) aber ein 10er Pin im 8. Frame hat alle seine theoretischen Chancen dann zunichte gemacht. Er war ein fairer Verlierer und wünschte mir noch für den Rest des Turniers Glück, ich denke aber dass er mich innerlich kurzfristig verflucht hat – zumindest könnte ich es mir vorstellen. Unnötig zu betonen, dass die Veränderung der Bahn diesmal noch schneller und noch extremer war – wir haben uns beide überhaupt nicht darauf einstellen können – aus einer einfachen high-score Bahn ist durch die offensichtlich deutlich geringere Ölmenge in der Mitte der Bahn eine echte Herausforderung geworden.
Somit war ich unter den letzten 4 und durfte zu meiner Freude gegen Pete Weber spielen (das andere Semifinale waren Jens Nickel und der 2-fache Weltmeister Remy Ong aus Singapur – es war also wirklich egal, gegen wen man spielt, und da war mir Pete am liebsten – wann würde ich wohl jemals wieder in die Verlegenheit kommen, gegen ihn spielen zu dürfen). Vor dem Start habe ich meine übliche SMS an Ivo geschrieben und prompt folgende Antwort erhalten: Du, der war damals auf der EXPO gar nicht nett zu mir, jetzt hau ihn dafür raus! Nun, ich werde es zumindest versuchen dachte ich mir.
Gegen Pete eröffnete ich mit 5 Strikes – soll ich jetzt wirklich sagen: das war´s eigentlich schon? Wäre überheblich, es war aber letztendlich so – er konnte mit seinen Bällen (er hatte nur 2 verschieden gebohrte Dimension am Kugelteller liegen) die Bahn gar nicht kontrolliert bespielen – ich bin auf einen Ball mit deutlich mehr „Länge“ (Rapid fire) umgestiegen und konnte die Bahn zumindest noch ein paar Würfe lang erfolgreich bespielen – er hatte nie mehr als 2 Strikes in Folge und diverse Splits im Angebot – das erste Spiel endete mit 220:166. Im 2. Spiel versuchte er natürlich gleich eine Strikeserie hinzulegen – aber die Bahn gab das nicht mehr her, ich antwortete mit Strike/Strike und räumte am 3. Frame auch noch 6/7/10 – Fragen? Keine Fragen – so ein Gefühl erlebt man nicht oft – es war ja doch eine für Bowlingverhältnisse beachtliche Zuschauermenge in der Halle und wie meistens hilft die Menge zum „underdog“ – ich habe dann aufgehört, immer tiefer und tiefer nachzugehen, sondern bin in „Norm Duke“ Manier auf ein sehr gerade Spiel den 3. Pfeil entlang umgestiegen –, so traf ich sehr sicher die Gasse und hatte immer räumbare Bilder stehen – weitere Strikes am 7/8/9 Frame machten dann das Ergebnis hinten raus sehr deutlich. Auch Pete war sehr höflich, attestierte mir „nice Bowling“ und somit war ich im Finale gegen Remy Ong – der wiederum hat Jens nicht den Funken einer Chance gelassen.
Im Finale startete ich großartig XXXX8/XXX9/ dann am 10er Frame 4/6 – ich meine, ich habe den Ball eine Nuance weicher gespielt, Thomas meint, die Bahn hat sich wieder einmal ruckartig verändert – was immer es auch war – Remy hat immer dagegen gehalten und am 10er Frame noch ausgestrikt – damit hatte ich 234, er 256 und da wusste ich, das wird ganz schwer. Er hat dann auch wieder mit 4 Strikes angefangen, meine Linie war weit nicht so stabil wie seine (wahrscheinlich hat er die 24 Bälle in Summe einfach druckvoller und präziser gespielt – es ist mir aber ehrlich gesagt auch egal) und er hat das Spiel ohne großartig in Bedrängnis zu kommen verdient nach Hause gespielt. Er ist ein mehr als würdiger Sieger – er ist einer der ganz Großen im Bowling und er hat seinerseits seine Revanche gefunden, nachdem ich ihn im World Ranking Masters 2007 im letzten Spiel noch 100 Pins abgenommen habe und er aus den Top 8 raus gefallen war –, anscheinend war es das Turnier der „Abrechungen“ J
Ein Mensch, der mich schon sehr lange begleitet, hat mir danach gesagt: Das war aus seiner Sicht mein größter Erfolg –, gegen diese Spitzenspieler auf sich wirklich sehr schnell verändernden Bahnen zu bestehen, ist wahrlich etwas Besonderes. Ich möchte den Erfolg gar nicht irgendwie werten oder einreihen, aber es war schon etwas ganz Besonderes – wer mich näher kennt, weiß, was ich für ein Fan vom Spieler Pete Weber bin –, gegen diesen Mann um den Einzug in ein Finale zu spielen, wird mir ewig in Erinnerung bleiben, auch wenn er nicht das beste Material für diese Bahn zur Verfügung hatte.
Der Untertitel zur Überschrift sollte dies alles, was ich euch so ausführlich geschrieben habe, in einem Satz beschreiben –, bei diesem Turnier haben sich meine Gegner fast ausschließlich selbst besiegt –, wer geht schon davon aus, dass er nach diesen Vorrundenergebnissen gegen Jason und Pete lediglich mit 361 und 359 konfrontiert wird? So „leicht“ ist Bowling dann eben manchmal. J
Bedanken möchte ich mich bei Achim und Thomas, die mich in den vergangenen Wochen, Monaten, ja eigentlich Jahren, so sehr unterstützt haben, und am allermeisten bei meiner Ivo, die mir (uns) in Kürze das schönste Geschenk (Fabian Dominic) machen wird, und die auch in einer Zeit, wo sie selber nicht spielen kann, mir so den Rücken stärkt.
Einen diesmal sehr ausführlichen Bericht beende ich mit Dank für das Interesse (wer es bis zum Schluss gelesen hat) und natürlich mit sportlichen Grüßen
Thomas